Veröffentlicht am 6. April 2016

Interview: Samuli Kärkkäinen von Touch Mapper

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Erst vor wenigen Wochen öffnete das Ein-Mann-Projekt Touch Mapper seine digitalen Pforten. Im Angebot: druckfrische Tastkarten in lecker 3D.

Der Kopf hinter der Karte: der finnische Programmierer Samuli Kärkkäinen. Im Interview verrät er uns, wie er auf die Idee zu Touch Mapper kam, welches Potential er sieht und was öffentliche Büchereien in Finnland so alles rumstehen haben.

Samuli, vor wenigen Wochen hast du dein Projekt Touch Mapper live gestellt. Wie sind die Reaktionen bisher?

Touch Mapper ist überall mit Begeisterung empfangen worden. Die schnellste Reaktion darauf kam aus der 3D-Druck Community: die meisten unter den ersten Website-Besucher wurden durch einen Reddit Beitrag (https://www.reddit.com/r/3Dprinting/comments/3ta3e3/finished_my_first_3dprinting_project_tactile_map/) auf das Projekt aufmerksam gemacht.

Aber die Sehbehinderten sind das Publikum was wirklich zählt. Ich freue mich, dass sie, sowie Fachleute die in dem Bereich arbeiten, auch sehr begeistert sind. Obwohl die relevante Medien erst jetzt anfangen über Touch Mapper zu berichten, bin ich mir sicher, dass unser Angebot letztendlich in großem Umfang bekannt wird. Wenn zum Beispiel ein Lehrer für Sehbehinderten sagt „Ich habe Touch Mapper unseren Orientierungs- und Mobilitätsexperten gezeigt und die haben davon geschwärmt“ ist das sehr belohnend.

Wie bist du eigentlich auf die Idee dazu gekommen? Hast du einen besonderen Bezug zum Thema „Blindheit“? Und: wie viele Karten wurden schon erstellt?

Ich war mit meiner Freundin, die blind ist, im Urlaub als ich auf die Idee für Touch Mapper kam. Wenn wir unterwegs waren, zum Beispiel auf dem Weg in ein Restaurant, wollte ich ihr erklären wo das Restaurant liegt. Aber mir ist schnell klar geworden, dass eine rein verbale Erklärung nicht ausreichend ist. Hierzu braucht man eine Art taktile Karte. Ich wusste schon, dass die nötigen Daten schon bei OpenStreetMap frei verfügbar sind. Man müsste die Daten einfach in eine Tastkarte umwandeln. Überraschenderweise gab es keine bereits existierenden Lösungen. Also habe ich mir vorgenommen selbst eine zu finden.

Ich bin zum Teil auf das 3D-Drucken gekommen, weil die öffentliche Büchereien in meiner Nähe 3D-Drucker haben, die kostenlos benutzt werden können. Den ersten Prototyp habe ich nach ungefähr einer Woche ausgedruckt. Als ich gesehen habe mit welcher Begeisterung meine Freundin den Prototyp annahm, wusste ich, dass ich das Projekt ausbauen muss, damit alle Menschen mit Sehbehinderungen individuelle Tastkarten einfach und kostengünstig erstellen können.

Bisher sind nur ein paar Dutzend Pläne bestellt worden. Es haben bestimmt mehr Menschen selbst Pläne ausgedruckt. Aber ich weiß nicht genau wie viele.

Heute läuft doch eigentlich schon jeder mit einem Navi rum. Auch für blinde Menschen gibt es einige gute Alternativen. Wo siehst Du die entscheidenden Anwendungsbereiche für einen taktilen Plan?

Eine Tastkarte ist mit mobiler Navigationssoftware sehr gut kombinierbar. Das Alleinstellungsmerkmal eines taktilen Plans ist, dem Sehbehinderten einen Überblick zu verschaffen. Ohne so etwas ist es sehr schwer die Form und Positionierung von Straßen oder Gebäuden zu begreifen. Zum Beispiel biegt sich eine Straße in der Nähe unseres Hauses langsam in einem Winkel von 90 Grad. Obwohl meine Freundin alleine unterwegs gut zurecht kommt, war diese Tatsache ihr nicht bewusst und hat bei ihr für Verwirrung gesorgt. Nachdem wir aber die taktile Karte erstellt hatten, konnte sie ihre „innere Karte“ korrigieren.

Bisher war es zu teuer, einen taktilen Plan von der eigenen Nachbarschaft erstellen zu lassen. Die kostengünstige Lösung von Touch Mapper ändert das nun komplett. So ist es für die meisten Leute nun möglich eine Tastkarte von Orten zu erstellen, die für sie persönlich wichtig sind. Neben den praktischen Vorteilen wird der Sehbehinderte es genießen ein besseres Verständnis für seine Umwelt zu bekommen, genauso wie Menschen ohne Sehbehinderung es genießen Stadtpläne zu studieren.

Du wohnst im Stadtteil Tapiola in der finnischen Stadt Espoo. Wenn ich mir einen Plan von deinem Heimatort erstellen würde – was könnte ich dann ertasten?

Der taktile 17 cm große Plan von Touch Mapper ist quadratisch und deckt ungefähr 500 Metern ab. Die wichtigsten Elemente sind Straßen, die als erhöhte Linien dargestellt werden. Fußgängerfreundliche Straßen sind für Sehbehinderte am wichtigsten und sind deshalb mehr erhöht als andere Straßen. Die Breite einer Linie ist von der Breite der realen Straße abhängig und auch die kleinsten Straßen sind miteinbezogen.

Gebäude sind oben flach und sind hoch genug, dass man die nicht mit den Straßen verwechselt. So sind sie als Gebäude leicht erkennbar und man kann mit der Fingerspitze den oft engen Platz zwischen zwei Gebäuden ertasten.

Ich wohne in einem mäßig dicht bevölkerten Vorort. Eine mittelgroße Straße überspannt die Karte und es gibt Bürgersteige auf beiden Seiten. Es gibt vier Fußgängerübergänge. Diese werden dargestellt als Linien, welche eine weniger erhöhte Linie—also die Straße—kreuzen. Ein Tunnel unter der Straße wird als eine Linie, die kurz vor der Straße aufhört und auf der anderen Seite weiterführt, dargestellt.

Es gibt etwa 50 Gebäude auf der Karte und auch ungefähr so viele Straßenkreuzungen.

In der Kartenmitte befindet sich ein Kegel, der die ausgewählte Adresse markiert. In diesem Fall wäre der Kegel oben auf das Haus wo ich wohne. Die Nordostecke der Karte ist gekennzeichnet damit eine richtige Orientierung möglich ist.

Eisenbahnen würden genau wie Straßen und Wasser wie eine gewölbte Oberfläche dargestellt werden. Jedoch gibt es in dieser Gegend weder noch.