Veröffentlicht am 9. September 2016

„INSPIRATION PORN“

Hier geht es zum Video auf der Website des „Guardian“.

Hier gibt es die deutsche Übersetzung:

„Du bist eine Inspiration!“ Es ist ein Satz, den behinderte Menschen oft zu hören bekommen. Und jetzt, da die Paralympischen Spiele anstehen und wir erstaunliche Sportler auf dem Bildschirm sehen werden, wird es wahrscheinlich so kommen, dass wir diese Äußerung noch mehr hören werden. Dieses Jahr, genau wie damals in 2012, werden Paralympiker als „superhumans“ (zu Deutsch: Übermenschen) tituliert. In mancherlei Hinsicht ist dies etwas Positives aber es fördert die immer wiederkehrende Idee, dass behinderte Menschen etwas anderes sind als einfach nur menschlich. Der Slogan „kann ich nicht – gibt es nicht“ deutet indirekt an, dass jeder behinderte Mensch alles machen könnte, wenn er sich nur genug Mühe geben würde.

Zum Beispiel Stephen Hawking. Statt anzuerkennen, mit wie vielen Hürden behinderte Menschen in unserer Gesellschaft konfrontiert werden, bezieht sich die Botschaft auf die Einzelperson und die Frage, ob sie unser Lob verdient hat.

Aber wer möchte denn nicht als „inspirierend“ gelten? Ist das nicht etwas Gutes? Wenn wir es näher betrachten sehen wir, dass Behinderung mit Inspiration gleich zu setzten zwei bedenkliche Meinungen unterstützt. Erstens: eine Behinderung bedeutet immer etwas furchtbar Tragisches das überwunden werden muss. Zweitens: die Anstrengungen oder Erfolge die behinderte Menschen erleben dienen nur dazu, dass nichtbehinderte Menschen sich gut fühlen.

Diese Darstellung von behinderten Menschen wird oft „inspiration porn“ genannt. Definitionsgemäß wird bei Pornografie eine Person—in diesem Fall: eine behinderte Person—objektiviert zu Gunsten des Zuschauers. Wir sehen ein Beispiel bei Internetvideos worin Teenager mit Down-Syndrom zum Highschool-Abschlussball eingeladen werden. Oder ein Social Media Mem mit einem weisen Spruch neben einem Foto von Stephen Hawking im Rollstuhl. Es ist die sogenannte Philosphie des „Tiny Tims“ (benannt nach der verkrüppelten Kindsfigur aus einer Charles Dickens Erzählung): behinderte Menschen—mutig aber Mitleid erregend—sind dazu da, um nichtbehinderten Menschen ein warmes Gefühl ums Herz oder eine bessere Lebensauffassung zu geben. Es wird Zeit aufzuhören, Behinderung als „inspirierend“ zu beschreiben. Echte Fortschritte werden gemacht, wenn der behinderte Mensch einfach nur als Mensch angesehen wird.“

(Quelle: Dr. Frances Ryan für den „Guardian, erschienen am 07.09.2016. Exklusiv übersetzt für service-auge.de von Hannah Mück.)