Veröffentlicht am 12. September 2016

Taubblindheit / Hörsehbehinderung

Die kombinierte Einschränkung bzw. der Verlust des Seh- und Hörvermögens bedeutet eine eigene Art von Behinderung, die Betroffene vor große Probleme stellt. Vor allem in den Bereichen Informationsbeschaffung, Kommunikation sowie Orientierung und Mobilität sind Betroffene stark eingeschränkt, da der Ausgleich der Einschränkung eines Sinnes durch den jeweils anderen nicht möglich ist. Begrifflich wird einerseits oft unterschieden zwischen (vollständiger) Taubblindheit (TBL) und Menschen mit einer Hörsehbehinderung (HSB), die noch Reste der Seh- und/oder Hörfähigkeit besitzen. Andererseits wird Taubblindheit auch als Überbegriff verwendet, der alle Formen der Hörsehbehinderung mit einschließt. Ausmaß und Ursache der Seh- und Hörbehinderung variieren, wodurch der Unterstützungsbedarf sehr individuell ist.

Ursachen für TBL /HSB

a) Angeborene TBL/HSB: sie hat ihre Ursache oft in Problemen während der Schwangerschaft bzw. Geburt. Oder in genetischen Veränderungen, wie z.B. beim Charge-Syndrom, das neben der doppelten Sinnesbehinderung weitere schwere Beeinträchtigungen verursacht.

b) Erworbene TBL/HSB: sie kann durch Unfälle, Krankheiten oder Vererbung entstehen. Häufige Ursache ist das Usher-Syndrom. Bei dieser vererbten Erkrankung kommt zu einer angeborenen Innenohrschädigung im Jugendalter eine durch RP bedingte Sehbehinderung hinzu. Je nach Typ liegt (hochgradige) Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit vor, wodurch entweder der Einsatz von Hörgeräten oder Cochlea Implantaten sinnvoll ist. Auch die Abnahme des Sehvermögens variiert.

c) Altersbedingte TBL/HSB: Sie nimmt zu durch steigende Lebenserwartung und damit verbundene Krankheiten, die zu Einschränkungen des Hör- und Sehvermögens führen können. Dazu zählen z.B. Diabetes und Bluthochdruck. Alleine von der Altersbedingten Makula-Degeneration sind hierzulande ca. drei Millionen Menschen betroffen. Das Erlernen neuer Kommunikations-Formen und der Umgang mit technischen Hilfsmitteln sind im Alter erschwert.

Kommunikation: Die Kommunikation tbl/hsb Menschen ist abhängig von Grad und Beginn der Hör-Sehbehinderung. Man unterscheidet vor allem lautsprachlich und gebärdensprachlich orientierte Menschen. Letztere stoßen bei einer Verschlechterung der Sehfähigkeit bzw. Einschränkung des Gesichtsfeldes auf zusätzliche Probleme. Gebärden, Mundbild und Mimik sind dann nicht mehr ohne weiteres zu erkennen. Zu den genutzten Kommunikationsformen zählen Gebärdensprache (DGS), Taktile Gebärdensprache, Lormen, Braille, Daktylieren (Abfühlen des Fingeralphabets), Lautsprache und haptische Zeichen.

Teilhabe an der Gesellschaft: Für ein möglichst selbstbestimmtes Leben benötigen tbl/hsb Menschen eine frühzeitige Diagnose, Beratungsangebote, Assistenz- und Dolmetschleistungen sowie spezielle Förder-, Reha- und Bildungsmaßnahmen. Ebenso geeignete Wohnformen, angemessene Berufs- sowie Freizeit- und Kulturangebote. Eine barrierefreie Umgebung sowie entsprechende Hilfsmittel sind dabei wichtig. Trotz Ratifizierung der UN-BRK sind in Deutschland hsb und tbl Menschen und ihre Angehörigen oft nicht ausreichend versorgt. Das neue Bundesteilhabegesetz wird nun zumindest das lange geforderte Merkzeichen TBL für den Schwerbehindertenausweis bringen.

In Bayern existiert seit 2013 ein TBL-Geld. Die in einer Erweiterung des Bay. Blindengeldgesetzes erfolgte Definition ist allerdings eng gefasst. Bisher erhalten gut 300 Personen in Bayern TBL-Geld. Es gibt jedoch weit mehr Menschen mit doppelter Sinnesbehinderung, die besondere Unterstützungsbedarfe haben – welche allerdings nicht durch Geld alleine zu erfüllen sind. Von zentraler Wichtigkeit sind für viele Betroffene Assistenzleistungen. Der Fachdienst ITM hat in Bayern ein Taubblinden Assistentinnen (TBA)-Netz aufgebaut und organisiert die Vermittlung von TBA-Einsätzen. Bei GIB-BLWG in Nürnberg finden regelmäßig TBA-Qualifizierungsmaßnahmen statt. Bisher ist die TBA aber immer noch ehrenamtlich organisiert und die Zahl der Helfer zu gering.

Der Autor: Tom Asam ist Sozialpädagoge und seit 2010 als Referent beim überregionalen Fachdienst zur Integration taubblinder und hörsehbehinderter Menschen in Bayern (ITM) tätig. Mehr über ITM erfahren Sie im neuen „Servicebuch Auge“ oder auf www.fachdienst-itm.de